Geblieben – Deutsche Mennoniten in Sibirien
Russland, West-Sibirien, Solnzewka, Mai 2008
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründeten deutsche Mennoniten in West-Sibirien das Dorf Solnzewka. Es schien das Ende einer langen Migrationsgeschichte zu sein, die sie von den Niederlanden und Norddeutschland nach Westpreußen führte, von dort in die Ukraine, und schließlich nach Russland, in das Gebiet von Omsk.
Doch die katastrophalen Lebensumstände während der Perestroika, brachten die meisten von ihnen dazu, nach Deutschland zurück zu kehren. Zurück in das Land, in dem die Reise ihrer Vorfahren vor 400 Jahren begonnen hatte.
Einige aber blieben in Solnzewka, weil sie Gottes Willen, der sie hierher geführt hatte, nicht widersprechen wollten. Sie gelten heute mit 130 Mitgliedern als die größte mennonitische Brüdergemeinde Russlands. Eine Dorfreportage.
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„Das Vieh kommt um sieben Uhr nach Hause. Nicht um viertel vor und nicht um viertel nach! Das ist hier noch deutsch.“ (Bruno Hildebrandt)
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„Segne Vater diese Speise, uns zur Kraft und dir zum Preise. Amen.“ Selbst wenn es manchmal etwas kürzer ausfällt, vor ausnahmslos jeder Mahlzeit wird gebetet. Familie Klaasen vor dem Abendbrot.
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Irina Ketler (im Auto) wird demnächst Fahrstunden für die Führerscheinprüfung nehmen. Sie nutzt die Abgeschiedenheit des Ortes der Familienfeier für eine erste private Übungsstunde. Der männliche Teil der Familie verfolgt das Ereignis aus gebührendem Sicherheitsabstand.
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Zwischen den beiden sonntäglichen Gottesdiensten, trifft sich die Jugendgruppe im Versammlungshaus. Nachdem ein paar Lieder zur Anbetung gesungen wurden, besuchen sie den Kirchhof und betreiben Ahnenforschung. Links im Bild Lilly Friesen am Grab ihrer Ur-Großmutter. Gläubige Mennoniten heiraten gläubige Mennoniten. Deshalb sind fast alle Gemeindemitglieder zu einem bestimmten Grad miteinander verwandt. Es gilt aber die Regel, dass man frühestens seinen Cousin oder seine Cousine dritten Grades aus der eigenen Familie heiraten darf.
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Bären und Wölfe gibt es in West-Sibirien nicht. Aber reiterlose Pferde können einem schon mal über den Weg laufen. Der Hengst der Familie Heppner dreht nach seinem „Arbeitstag“ bei den weidenden Kühen eine Extrarunde durchs Dorf.
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Nach der offiziellen Verabschiedung mit Tee und Kuchen, feiert die elfte Klasse das Ende ihrer Schulkarriere. Mit Bier und Wodka. Die Mennoniten (rechts oben Peter Hildebrandt) schauen zu und verlassen die Party früh. In ihrem Glauben gehört Alkohol zum sündigen Leben.
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Im Vorbeigehen schubste die gefleckte Kuh ihre Artgenossin mitsamt dem Zaun auf Johann Harders Grundstück. Jetzt hat er „endlich einen guten Grund“ den Zaun komplett zu erneuern.
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Die hochdeutsche Sprache findet fast nur noch im Bezug auf die tiefe Gläubigkeit der Mennoniten statt. Zum Beispiel wird bei der Versammlung am Sonntag auf hochdeutsch gepredigt, und in jedem Haushalt sind Kalender oder Postkarten mit Psalmversen auf deutsch zu finden. Zuhause sprechen die meisten Familien Plautdietsch, eine westpreußische Variante des Niederdeutschen. Doch auch das Plautdietsche wird mehr und mehr von der russischen Sprache verdrängt.
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Jakob Siemens spielt mit den Ferkeln und dem Hund des Nachbarn. Ein seltener Moment, da der Umgang mit den Tieren im Dorf ansonsten eher zweckorientiert ist.
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Im Badezimmer der Familie Heppner.
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Die meisten Deutschen arbeiten in den Betrieben der ehemaligen Kolchose. Moderne Technik ist dort nicht anzufinden, trotzdem „klappt immer alles irgendwie.“ (Arthur Hildebandt)
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Auf der Arbeitstelle von Andreas Heppner (jun.). Er befüllt LKW- und Traktorenbatterien mit Säure und lädt sie wieder auf. In einem Nebenraum steht der für die Kinder einzige zugängliche Fernseher im Dorf. Der schlechte Empfang stört sie nicht, auch das Programm ist nicht wichtig.
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Die Mennoniten nehmen nicht an den Paraden zum „Tag der Befreiung“ am 9. Mai teil. Sie nutzen, wie hier die Ketlers, den freien Arbeitstag für einen Familienausflug in den Wald. Dass bei einem solchen Anlaß 30 Menschen aus vier Generationen zusammen kommen, ist keine Seltenheit.
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Das „Brennen“ ist in Russland seit Anfang 2008 aus Umweltgründen verboten, was keinen weiter stört. „Das haben wir immer gemacht, und es wird noch lange dauern bis das aufhört.“ (Andreas Siemens). Seine Nachbarn deswegen bei den Behörden anzuschwärzen, gilt als Schande.
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Ihr pazifistisches Prinzip der Wehrlosigkeit haben die Russlandmennoniten in den 1920‘er Jahren aufgegeben. Sie beugten sich dem Druck der stalinistischen Gleichschaltung.
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Die Schulabschlussfeier der Russen zieht sich bis in die frühen Abendstunden. Ihre deutschen Mitschüler sind schon lange nicht mehr dabei.
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Die Mennoniten nehmen nicht an den Paraden zum „Tag der Befreiung“ am 9. Mai teil. Sie nutzen, wie hier die Ketlers, den freien Arbeitstag für einen Familienausflug in den Wald. Dass bei einem solchen Anlaß 30 Menschen aus vier Generationen zusammen kommen, ist keine Seltenheit.
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Spontanes Hauskonzert in der Mittagspause. Johann Harder am Bayan, dem russischen Akkordeon, und Jakob Barg an seiner selbstgebauten Zitter, wie er das etwas grob klingende Instrument bezeichnet. Jakob Barg war über Jahrzehnte der angesehenste Klavierstimmer und Instrumentenbauer im Gebiet von Omsk.
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Viktor Heppner (10) lernt das Schafschlachten von seinem Bruder Andreas (20).
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Andreas Heppner (und Geschwister) decken den Tisch für das Schafschaschlik. Die Deutschen in Solnzewka haben drei Namen: auf Arbeit bei seinen russischen Kollegen heisst er Andrej Andrejwitsch Geppner, in der plautdietschen Gemeinde Hein Heppner. Sein hochdeutscher Name ist Andreas Höppner.
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Jeden Abend versammelt sich Familie Heppner bei ihren Schafen, um das Fortschreiten der Trächtigkeit zu beobachten.
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Mädchen und Frauen tragen keine Hosen. Schließlich tragen Männer auch keine Röcke. „Männer in Weibskleidern, das wäre ein großer Greuel für Gott.“ (Philipp Friesen)